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Bausparen ist endgeil Teil 1 : 2 : 3
Mit Tocotronic und den Merricks scheint sich eine Opposition gegen das schöne, neue Pop-Deutschland zu formieren.  
 

München ist schick, Hamburg politisch, und aus Düsseldorf und Köln kommt die beste Elektronik. Der Rest ist Techno und Hip-Hop und Westernmeyer. So einfach ist das mit deutscher Popmusik. Gewesen. Der Jahrgang 1999 bringt die popmusikalische Topographie der Republik völlig durcheinander. In Hamburg fabrizieren Blumfeld chartskompatiblen Schlagerrock. In Berlin und Köln wird Hanns Eisler wiederentdeckt. Und aus München melden sich Schwermut Forest, Blond, Couch oder die Merricks mit erstaunlich selbstbewußten Aufnahmen, die alles sind, nur nicht schick.
     Städte haben ihren Sound, Länder haben ihren Sound, und das Dort-Sein bestimmt das Bewußtsein, gewiß. Aber unter dem erdrückenden Erfolgsdiktat des VIVA-Nationalismus, nach dessen Grammatik an den Ladenkassen zu zweitklassigen Beats wieder ausschließlich deutsch gesprochen werden muß, scheint eine schon aus rein kommerziellen Gesichtspunkten eher dem Underground zuzurechnende Fraktion hiesiger Popmusiker bewußt oder unbewußt eine internationale Qualität zu entwickeln, die es den Bands ermöglicht, sich außerhalb des Ich-bin-zu-blöd-um-Englisch-zu-verstehen-Terrors der Musikaliensender in deutscher Sprache verständlich zu machen: Deutsch als ein regionaler Sprachsound mit Platz im grundsätzlich internationalistischen Pop-Sprachraum.
     Was ich hier als "internationale Qualität" bezeichne, läßt sich an den zwei herausragenden Produktionen dieses Sommers am besten nachvollziehen: "K.O.O.K." von Tocotronic aus Hamburg und "Escape from Planet Munich" von den Merricks.
     Tocotronic waren eine gitarrenlastige Band mit offensiven Songs, die sich stark an US-amerikanischen Vorbildern zu orientieren schien, und Spaß daran hatte, diesen Ami-Lärm mit Deutschland-spezifischen Texten zu kombinieren; keiner konnte mitreißendere Slogans formulieren als Tocotronic: "Samstag ist Selbstmord", "Digital ist besser" und, was haben wir gelacht, "Über Sex kann man nur auf Englisch singen". Die meisten Songtitel begannen mit dem Wort "Ich" und waren, im besten Sinne, gelungener Ausdruck höchster Gymnasiastennot.
     Die Merricks waren wesentlich affirmativer als Tocotronic. Und ein gutes Stück älter. Nach Popsongs in der Tradition der neuen Deutschen Welle bekam ihr immer fröhlicher und überdrehter werdender Sound zwischen FSK und Donna Summer schließlich etwas Archäologisches, etwas Fan-atisches, wie man es eigentlich von Folk-Revivals oder Bluesforschern kennt: Die Merricks jedoch hyperventilierten Pop.

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