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Der Mond scheint breit Teil 1 : 2
Natur und Pop: Beide kommen besten ohne einander aus  
 

Es muss, wenn ich es mir genau überlege, der Mond gewesen sein, blutrot und voll über diesem amerikanischen Fluß. Wie der sich da spiegelte und güldene Gleise legte übers Wasser, wenn er seinen Anstieg begann. Und dann drehte ich mich um auf der Pier und Amoco und McDonalds und Best Western leuchteten und spiegelten sich um die Wette, blau und rot und gold. Da war sie wieder, die freie Sicht auf Pop: Warum sich pflichtschuldig und konditioniert wie ein Zirkushündchen der Ergriffenheit vor der Natur hingeben, wenn die billigsten und allgegenwärtigen Zeugnisse unserer Alltagskultur das Erhabene als genau das entlarven, was es ist: erledigt. Schönheit ist heute an anderer Stelle verborgen - oder offensichtlich - als zu Zeiten der deutschen Romantik. Beruhigend, daß es den Mond noch gibt, aber es steckt eine amerikanische Fahne in seinem Staub und der Himmel hat, um mit William Gibson zu schreiben, die Farbe eines Bildschirms, der auf keinen besonderen Kanal eingestellt ist. Weisses Rauschen, ästhetisches Stand-by, alles ist möglich und der Mondenschein ein Irrtum.
     Und unter diesem amerikanischen Herbstmond meldeten sich die Irrtümer und Mißverständnisse gleich reihenweise zu Wort: Daß das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit seine auratische Qualität verlöre. Als würde man diese Aura je benötigt haben. Die Aura ist nur der Mond, der bleiche, gelbe Hinschauer, das Strumpfband am Himmel, Übertragung des Naturgedusels auf Menschenwerk, um dieses "Huch, ein Blitz, das muß Gott sein"-Getue in die Alte Pinakothek hinüber zu retten. Spätestens seit Thomas Alva Edison Ende des vorigen Jahrhunderts mit seinen Hörtests durch die Konzertsäle tingelte, bei denen neben dem Schalltrichter die Diva stand, die Diva plötzlich den Mund hielt, der Gesang aber weiterging und übereinstimmend für gleich und gleichwertig gehalten wurde, da taumelte das Auratische, noch nicht einmal gedacht, schon dem lachenden Pop-Orkus entgegen: Edison-Walze killed the Opera Star. Pop kennt im Gegensatz zur Kultur der abendländischen Eliten, die heute, wie es in Heiratsanzeigen gerne heißt, "in Jeans und Abendkleid eine gute Figur zu machen wissen", bloss etwas, das ich "demokratischen Gefühlszustand" nennen möchte. Der Einzelne ist geworfen in diese Welt und erfühlt sie von Verzweiflung bis kaum auszuhaltendem Glück. Und für seine Mitmenschen fertigt er sofort eine Kopie an, den Song, den Rhythmus, die musikalische Mitteilung: Das Medium ist hier idealtypisch zugleich die Botschaft. Und es ist dann nur an uns Empfängern, dieser persönlichen Mitteilung einen ebenso persönlichen Wert beizumessen, der sich auch, aber nicht nur, in sehr viel Geld ausdrücken kann. Das ist Pop. Das ist Amerika. Und das ist keineswegs die Hochkulturintensivstation, auf der ein verwirrtes Staatswesen seine "abendländischen Kulturleistungen" subventioniert wie Butterberg und Rinderwahn, auf daß von der angenommenen Aura des am Tropf hängenden Popanzes etwas zurückstrahle auf das Staatswesen und so zu seiner Legitimation beitrage. Bayreuth bezuschussen? Sollten das nicht eher die Konzerne tun, die kein Geld für Zwangsarbeiter auftreiben können, nur der Kontinuität wegen?

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