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...ist ein arger Wüterich Teil 1 : 2
Die Wandlungen eines hauptberuflichen Pop-Exegeten  
 

Für einen Außenstehenden mag das folgende reichlich absurd und kompliziert erscheinen. Doch es irrt der Außenstehende. Er möge eintreten und Platz nehmen, denn es geht auch um sein Seelenheil, wenn sich im Lande Pop Kleingeister und Großdenker die geschwollenen Birnen einschlagen. Und damit es hinterher, wenn man ungemütlich am Höllenfeuer zusammenhockt und alte Schwänke erzählt, nicht heißen kann, es hätte ja keiner was davon gesagt, wie schlecht es um Abendland und Seelenheil und den Afroamerikaner steht, schreibt eine der Matschbirnen die Geschichte fort, die vor etwa einem Jahr begann, als... (das Bild wird unscharf, wabert ein bißchen; die Farben fließen ineinander und sanft ertönt Musik, man kennt das ja)... Diedrich Diederichsen in Spex einen Artikel zu Lage und Bedeutungswandel der Popmusik und ihrer Zeichen nach den Ausschreitungen von Rostock veröffentlichte und damit einer gerade in Gang gekommenen Diskussion um HipHop, political correctness, Jugendlichkeit, Dissidenz, Gegenkultur und den ganzen Rest ein weiteres Stück wohlmeinender und narzistischer Ratlosigkeit hinzufügte.
     Harter Schnitt. Wir schalten um ins Telekolleg: Spex - mangels deutschsprachiger Alternative die wichtigste hiesige Musikzeitschrift. Diedrich Diederichsen - Erneuerer des deutschen Popsprech. Früher Redakteur bei Sounds (bis 1983) und Spex (bis 1990), heute als General Schwarzkopf des Pop für Vorträge, Werbeagenturen und Großbanken als Edel-Outlaw zu mieten. HipHop - zeitgenössische Variante der afro-amerikanischen Populärmusik, zur Zeit im Gerede wegen der Gewaltdarstellung in vielen HipHop-Texten und der Gewaltbereitschaft seiner Protagonisten, oder geht es nur um die altamerikanische Angst vorm schwarzen Mann? Rap - spontaner Vortrag, Sprechgesang, der heute hauptsächlich im HipHop-Kontext Verwendung findet, wird in Deutschland gern zur Fruchtsaftwerbung verwendet.
     Und wupps - gezappt. Märchenstunde mit Diedrich Diederichsen als Königinmutter (live fast, die young - bei der Entbindung von Schneewittchen), mit allen französischen Philosophen dieser Welt als König (Samenspender), mit einer Publikation aus dem Hause Kiepenheuer & Witsch als Schneewittchen, mit Abweichlern von der Linie DD. als Stiefmutter (bähbäh) und einer Menge Schreiberlein von Spex bis Heaven Sent als den sieben Zwergen. Gastauftritt: der Künstler, laut Diederichsen relevant, da "die Ähnlichkeit der Arbeits- und Lebensformen der Arbeitslosen und der Künstler immer auffälliger wird". Seit wann torkeln Arbeitslose besoffen durch Talkshows? Seit wann lassen sich Arbeitslose von Selfmade-Schloßherren aushalten? Da fallen also Tropfen Bluts (rot wie der Sozi) in den Schnee (weiß wie die leere Buchseite), vorbei am Haar so schwarz wie Ebenholz (und HipHop), und kaum sind neun Monate vergangen, da ist als rote Schrift zu lesen "Freiheit macht arm", so der Titel von Diederichsens neuem Buch, das der bösen Stiefmutter den Spiegel (Heft 49/93) vorhält, der, obwohl zu den Gescholtenen gehörend, eifrig an der Walter-Jensisierung Diederichsens mitstrickt: So einen brauchen Deutschlands Talkshows und Kulturkommentare - richtig erkannt, Spiegel, daher schalten wir um ins Funkhaus: Nein, sagt eben ein alter Bewunderer des Herrn D., selbst ein Diederichsen kann einen Diederichsen nicht so ausschalten, daß auf 283 Seiten nicht auch ebenso viele kluge Gedanken stünden. Die klare Verurteilung des Identitätsgeredes. Das Zur-Diskussion-Stellen ehemals heiliger Kühe wie die Verwendung von Minoritätenpositionen für die Definition der eigenen Dissidenz. Doch ist der Gedankenmüll ins Unermeßliche gewachsen; selbst der Rezensent im sonst alles verstehenden Spiegel gesteht, daß "streckenweise gar komplette Unverständlichkeit" herrsche. Na und, jetzt wo Deutschlands Palaver-Innung eine neue linke Lichtgestalt gefunden hat, da in komplexen Zeiten naheliegenderweise nur unverständliches Daherreden helfen kann. Jetzt, wo dieser Diederichsen alt genug, konfus genug, ego-zentriert und eitel genug ist, seinen schlimmsten Bewunderern und Nachdem-maulredern zu glauben, aber immer noch hip und klug und vermark-tungswillig genug scheint, um nicht gleich als Ex-Diederichsen enttarnt werden zu kön-nen, na und.

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