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"...just out of Louisiana" Teil 1 : 2
Abteilung 2, in der einer seine Seele an den Teufel verkauft und ansonsten viel getanzt und getrunken wird.  
  Drei Musiker und eine - die Band, sechs Platten: und dabei wir Kanada noch nicht einmal richtig verlassen. Kanada ist nicht gerade das "Land Where the Blues Began" (Alan Lomax), sondern bloß jede Menge Wald, Weizen und winzige Mücken. Doch ohne den Blues gäbe es auch dort keinen Rock und keinen Roll, keinen Pop, keinen Jazz, kein 20. Jahrhundert. Der Blues ist der Grundton, auf dem alles schwingt bis hin zu HipHop und Techno, auch wenn das auf den ersten Blick als gewagte Behauptung erscheinen mag. Eine Plattensammlung ohne einen Grundstock an Blues ist frivol. Die soziale und historische Zerrüttung der nach Amerika verschleppten Afrikaner, ihre Fähigkeit, aus der Fragmentierung der eigenen Persönlichkeit und Geschichte eine neue, lebenstaugliche Ästhetik zu konstruieren, Lebensfreude mit Existentialismus, Entwurzelung mit Frömmigkeit, das Grauen mit Rhythmen zu kombinieren, hat die wesentlichen Fragen des 20. Jahrhunderts bereits beantwortet, bevor sie in Europa so überhaupt gestellt werden konnten.
     Den größten der frühen Meister kennen die meisten nur als Komponistenangabe auf 'Let it Bleed' von den Rolling Stones: Robert Johnson. Die Stones schulden ihm die beste ihrer Coverversionen, 'Love in Vain'. Ein kleinwüchsiger Maulheld muß dieser Johnson gewesen sein, ein Stecher vor dem Herrn, mit einer bescheidenen Karriere, die 1938 durch Gift in einer Whiskey-Flasche ihr vorzeitiges Ende fand. Drei Jahrzehnte später entdeckten Burschen wie Keith Richards oder Eric Clapton in Johnsons 28 überlieferten Liedern jene Energie wieder, die sie in den eigenen Stücken anstrebten. Ein Mann, eine akustische Gitarre, ein Mikrophon in einem Hotelzimmer: Und doch beben die Mauern der Städte, wenn er singt und spielt, dröhnt die Zukunft der Popmusik zwischen dem Knistern der Schellacks hervor, großer Lärm, große Leere, große Angst.
   Seine Seele habe Johnson dereinst an den Teufel verkauft, um so Gitarre spielen zu können, munkelten die Zeitgenossen - und wenn die Geschichte bei einem Musiker tatsächlich stimmen könnte, dann bei ihm. Das Frömmeln der Gospelmusik, der schlichte Halligalli-Lärm der halblegalen Schnapsbuden am Rande der Plantagen ist bei Johnson erstarrt, in der Bewegung erstarrt: Keine Frau, kein Gott, die ihm in seinem Leben noch helfen könnten, kein Existentialismus, der ihm einen Platz in all diesem Chaos wiese, sondern nur noch blankes Entsetzen, ein gnadenloses Geworfensein in eine Welt, die zu verstehen nicht mehr möglich scheint. Ein Junge vom Land als Ikone des 20. Jahrhunderts: 'Robert Johnson - The Complete Recordings' steht monolithisch, mit respektvollem Abstand zu den anderen Platten, als das unverzichtbarste Stück in unserem Regal.

Genrecheck:
Früher Blues

 

 

 

 

 

7
ROBERT JOHNSON
'The Complete Recordings' (1990)

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