Musikmeldungen aktuellMusikstromKolumnenSoundcheckPopalphabetGastbeiträgeWeblinksKontaktinfo  
  Home
 
Abteilungen
"Contort yourself five times..." Teil 1 : 2 : 3 : 4 : 5 : 6
Abteilung 21, in der die Propheten im eigenen Land wieder einmal nichts gelten, weswegen hier nochmals nachdrücklich auf ihren Wechselkurs hingewiesen wird  
  Propheten im eigenen Land, was soll man dazu noch sagen? Das "eigene Land" sind in diesem Fall die USA; die Propheten heißen Richard Hell oder Joey Ramone oder Chris D. oder Mark Mothersbaugh. Und Punk ist britisch. Eigentlich nicht, blabla, eigentlich kommt er ja aus New York, blabla, aber erst Malcolm McLaren, blabla, Situationisten, blabla, Clash und Rough Trade Records und Rock Against Racism, blabla, Johnny-Rotten-not-forgotten, singt sogar Neil Young.
     Und hat nicht der Evangelist der amerikanischen Rockmusik, Greil Marcus, in seinem Überfliegerbuch 'Lipstick Traces' alles haargenau aufgedröselt: Punk, der echte mit den drei Streifen und der Goldkante, ist britisch. Nun, Einspruch, Euer Ehren. Es gibt mindestens zwei Punkröcker. Eben den epigonalen britischen, der sich schnell zur zwar vitalen, aber kurzatmigen britischen New Wave wandelte und seine besten Köpfe an Jazzrock und Hare Krishna verlor. Und eben den richtigen, den wirren, den Hamburger essenden und Kleber schnüffelnden Punkrock, der sich selbst gebar aus mieser Teenagermusik, Speed und einer Abneigung gegen Grateful Dead. Und der ist nun mal zuerst in New York beheimatet gewesen, dann in Los Angeles und Akron, Ohio, und Cleveland, Ohio, und dann überall.
     Chronologisch die ersten untergründigen Punk-Platten, die es nach Deutschland schafften, waren die hyperschnellen, fiesen Punkminiaturen aus Los Angeles, die Chuck-Berry-Coverversion der Germs, eine der besten Singles aller Zeiten, der 'Tooth & Nail'-Sampler, Blaupause für den späteren Hardcore, schließlich 'Los Angeles', das Debüt von X, deren Sängerin Exene Cervenka wie eine mopsige Siouxie aus Transsylvanien aussah, die drei Buben dagegen karierte Holfällerhemden oder Rockabilly-Chic proklamierten und damit eine sachliche und ruhige Alternative zum Sicherheitsnadelgetue der englischen Musikpresse etablierte. X klangen noch sensationeller als sie aussahen. Die Musik war bloß aufgebohrter Rock'n'Roll, okay. Aber darüber sangen und klagten in gedehntem, gequälten Unisono John Doe und Exene von Freuden und Leiden einer subkulturellen Stadtguerilla, während auf dem Cover ein X abgefackelt wurde wie das Kreuz bei einem Ritus des KuKluxKlans. Gleichzeitig blinkte im Hintergrund immer schon das Signal "Mainstream", war der Einfluß des Doors-Keyboarders Ray Manzarek zu hören, der die Soundfäden zog und die Outlaw-Energie immer wieder in Rock'n'Roll-Regeln kanalisierte. So ist es dann auch gekommen: X, immer nur so viertelt erfolgreich, gaben den scheinbaren Bedürfnissen des Mainstream-Rocks immer mehr nach, ohne sich je ganz durchsetzen zu können: perdu. Aber 'Los Angeles' ist noch das große Versprechen, die erste Liebe, Punk in seiner ganzen, seltsamen Schönheit. Und wahrlich einen Platz in dieser Sammlung wert.

84
X
'Los Angeles' (1980)

 

 

 

 

 

 

 

Weiter >>

 

Musikmeldungen aktuell | Musikstrom | Kolumnen | Soundcheck | Popalphabet | Gastbeiträge | Weblinks | Kontakt